Sonntag, 31. Oktober 2010

UNIPOP und Alltag

Eunice (fährt mit zu ICUI, Medea, Julia, ich)
Reis mit roten Bohnen, Nationalgericht. Made by Ellen
In der Zeit zwischen den Projekten bin ich mit kochen und meinem Haushalt beschäftigt.
Gerade sieht es so aus, als ob ich in der Schlacht gegen die Ameisen (und Kakerlaken) die Nase vorn habe. Aber eine gewisse Mindestanzahl ist normal, wenn man im Erdgeschoss im Amazonasgebiet wohnt.



Außerdem hab ich diese Sachen gemacht: (Bilder findet ihr rechts am Rand beim Link)

* Corrida do Círio (10km Stadtlauf um 6.10h morgens)
* Ausflug in den Regenwald zu einem Haus von einer aus der Gemeinde
    -> auf eine Palme geklettert, Brandblase davongetragen
* regelmäßige Treffen bei UNIPOP mit Jugendlichen. Wir reden über Menschenrechte und Arbeit mit Jugendlichen in den vers. Stadtteilen und deren Engagement.

dort wurde ich übrigens auch gefragt, ob ich weiß, welche Recht ich genau habe, hier in Brasilien.
Nein. Das weiß ich nicht.

Und so geht es vielen Menschen hier, besonders der ärmeren Bevölkerung.
Sie kennen ihre Rechte nicht.
Und wenn sie ihre Recht nicht kennen, wissen sie nicht was fehlt, wissen sie nicht auf was sie Recht haben.
MENSCHENRECHTE: Recht auf Bildung, Recht auf den besten erreichbaren Gesundheitsstand, Arbeit und angemessene Erholung, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, etc.

Der Staat muss die Menschenrechte schützen, sie für jeden verwirklichen und darf sie selbst nicht verletzten.

Würden alle Menschen wissen, welche Rechte sie haben und dafür kämpfen, dass sie sie auch bekommen, dann wäre aber was los.
Informiert euch mal selbst über Menschenrechte, ihr werdet überrascht sein, auf was ALLE Menschen ein Recht haben, zumindest auf dem Papier.



KURZ zu UNIPOP:
- Institudo universidade popular
- gibt es schon 22 Jahre
- zum Austausch zwischen Jugendlichen
- informiert über wichtige Themen der Gesellschaft, z.B. MENSCHENRECHTE
- arbeiten für mehr Interesse, Gerechtigkeit und Teilnahme an solchen Themen
- wie dies in Arbeit mit Jugendlichen / Kindern  umsetzen ?
- Religionsunabhängig, nicht politisch orientiert

und so langsam fängt alles an weihnachtlich zu werden.
....denn in der Flötenstunde in der Vila da Barca üben wir schon fleißig "Noite feliz" (stille Nacht)
....die Supermärkte sind geschmückt
und die Vorbereitung für die Adventszeit hier in der Gemeinde sind getroffen.

Einblick Vila da Barca

In der Vila da Barca ( gelbes Shirt, Tanzlehrer Vando)
Nun sind schon 3 Monate rum, 93 Tage in Brasilien, ein Viertel meiner Zeit hier.

Die Arbeit in den verschiedenen Projekten in den einzelnen Stadtteilen hält mich den Tag über gut auf Trapp, denn nun fang ich schon an einige Sachen selbst vorzubereiten.
Anfangsgebete, Lieder, eine Geschichte erzählen oder ein Spiel anleiten.
Das nächste ist das Anfertigen von Armbändern aus Acaiperlen in Icui. Jede einzelne Perle soll etwas anderes bedeuten. Grün - Hoffnung, Rot - Liebe...
Für jedes Projekt haben wir Freiwilligen, jetzt nur noch Medea und ich, denn Julia ist leider schon abgereist, zusammen mit den "Educadores", den Lehrern/innen einen Plan ausgearbeitet.
In diesem "Planejamento" steht, was wir wann mit den Kindern machen werden.
Das ist auch gut so, denn dann weiß jeder, was wer letzte Woche gemacht hat und außerdem kommt dann jeder besser vorbereitet dorthin.
Das Überthema für den Monat November ist Afro-brasileiro. Menschen afrikanischer Abstammung in Brasilien.
Warum dieses Thema?

->,,Die deportierten afrikanischen Sklaven reichen von mehr als 3 Mio bis 4 Mio. Umstrittig ist, dass nach Brasilien bis 1850 weitaus mehr afrikanische Sklaven verschleppt wurden als in irgendein anderes Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Das führte dazu, dass in Brasilien heute die meisten Menschen afrikanischer Abkunft außerhalb Afrikas leben."


AULA SUÉCIA / ALEMANHA
Am 18.10 haben wir einen Nachmittag in der Vila da Barca über Deutschland und Schweden gemacht.
Erstmal haben wir gefragt, wo die Länder denn liegen können und die Kinder zeigten zuerst auf der Weltkarte auf die USA.
Die Kinder sind keinesfall dumm. Denn wenn wir mal überlegen, mit 10 hatten wir wenn überhaupt auch gerade ein Jahr Erdkunde.
Brasilien haben sie ohne Zweifel sofort entdeckt.
Wir haben zuerst gesagt, dass Brasilien 24mal größer ist als Deutschland, 2mal ganz Europa in das fünft größte Land der Erde passen würde.
Und das in ganz Schweden 6mal so viele Menschen wohnen wie hier in Belém.
Belém zählt 1,5 Mio Einwohner und Schweden 9 Mio.

Weiter gings damit, dass wir von unseren Familien erzählt haben.
Ich habe Fotos von unserem Hof, den Tieren, der Ernte, dem Schnee, Kastanien, Erndedank  und der Tellingstedter Kirche gezeigt.
Viele Kinder in der Vila da Barca haben viel Energie und sind dadurch manchmal anstrengend, finde ich.
An diesem Tag haben sie aber so ihre Ohren gespitzt, dass wir ganz überrascht waren.
Sie konnten uns das fragen, was sie wollten.
Einige Fragen waren ungefähr so:
- Ist das deine ganze Familie ? 
(Ja, 3 Geschwister, natürlich habe ich aber auch noch Tanten, Onkel  und Großeltern)
- Wie lange haben wir Schnee, wie sind die Jahreszeiten?
- Wie viele Tiere haben wir?
- Was ist ein typisches deutsches Essen ?

Also alles Fragen, die auch wir einen Brasilianer stellen würden.
Als wir dann das nächste mal in das Projekt kamen, wollten sie noch mehr wissen. Erstmal haben wir gefragt, was sie denn überhaupt noch wissen. Nicht mehr alles, aber immerhin mehr als am Anfang.
Während wir so die ganzen Fragen beantwortet haben, ist mir aufgefallen. Hey, ich spreche grade ohne viel nachzudenken portugiesisch. Da habe ich dann einen Glücksmoment bekommen und war ein bisschen stolz auf mich.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Praca da Republica

PS: Es sind nun auch Bilder vom Icui zu sehen (rechts unten auf dieser Startseite auf September klicken, dann ICUI auswählen)



Die Unternehmungen gehen weiter:
Sonntags herrscht auf dem ,,Praca da Republica" immer reges Treiben, denn Straßenhändler bauen ihre Stände rund um den Platz auf, um Schmuck, Gemälde, Essen , Keramik, Tiere und nochmal Schmuck zu verkaufen.
An diesem Sonntag waren wir dort, gleichzeitig waren auch die Wahlen in Brasilien.
KURZ:
Keiner der Kandidaten/innen weder Dilma Roussef (Partei Lulas) noch der Sozialdemokrat José Serra Anfang haben eine Mehrheit von 50% erreicht und deswegen kommt es am 31.10 zur erneuten Wahl.
,,Die heimliche Siegerin der brasilianischen Präsidentschaftswahlen heißt Marina Silva von den Grünen.
Knapp 20 Prozent holte die Kandidatin der Grünen in ihrem ersten Anlauf auf das höchste Amt im Staat, mehr als sie in ihren kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte."
Weste aus Dosenverschlüssen
(http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,721014,00.html)





Man kann in einen richtigen Kaufrausch verfallen, weil der Schmuck meistens aus Acaiperlen gemacht wird. Acai ist eine regionale Frucht, die man hier essen kann. Man kann sie aber auch als Perlen für Ketten, Armbänder und Ohrringe verwenden und einfärben.
Doch ich habe mir nun erstmal selber Perlen und Bänder gekauft und mach mich nun ans Selbermachen. Mal sehen wie das klappt.

Goldfische werden in Plastiktüten verkauft
(Außentemperatur 37 Grad)!!!

Ganz beeindruckt waren wir von dem Fliesengestalter.
Er kann innerhalb von 5 Minuten eine einfarbige weiße Fliese in ein Kunstwerk verwandeln.
Er braucht dazu nur ein bisschen Farbe einen Zahnstocher, ein Tuch und seine Finger.
Unglaublich! Am Anfang dachte ich, wie soll das denn was werden und zwischendurch hat er dann alles wieder verwischt, doch am Ende kam eine einmalige Fliese zustande. Ich war nicht die einzige, die gedacht hat, wie das funktionieren kann.

NATUR in der Stadt



NATUR (Dimesionen)
Wo bin ich ?



Da Julia nur so kurze Zeit hier ist und es nicht schafft eine Tour in den Regenwald zu machen, haben wir zusammen einen Park in der Stadt besucht, der "fast" so aussieht.

Den ,,Parque Zoobotânico" mit dem ,,Museu Paraense Emílio Goeldi"(das Museum war leider geschlossen)...Der Eintritt hat umgerechnet nur 1 Euro betragen und was wir gesehen haben war der hammer.
In den Park sind Pflanzen und Tiere zu sehen, die es im Bundesstaat Pará wirklich gibt und manchma dachte ich, dass ich denen lieber nicht alleine auf der Straße begegnen möchte.

Die ,,Urwaldriesen", die unglaublich großen Bäume:
mehr als 300 Schildkröten aufeinander zusammen mit Krokodielen
Kleingetier und bunte Vögel.

Ich habe mich gefühlt, wie in einem Zoo, war es ja auch, aber das die Tiere dort leben, wo ich auch lebe, ist noch nicht in meinem Kopf angekommen.
Von diesen Parks haben wir schon 3 in Belém besucht, einen auch zusammen mit dem Freund von Medea, der sie grade besucht:


Zur Erfrischung haben wir uns dann eine eisgekühlte Kokosnuss auf der Straße gegönnt!
(Ja sie sind in Wirklichkeit grün und nicht braun)

KULTUR

Sowas gibts hier nicht !

Was ist Kultur / was ist die deutsche Kultur ?

Jeden Tag begegnet mir hier so viel brasilianische Kultur, in den Projekten werden traditionelle Tänze Amazoniens gelernt, die Menschen lieben es zu teilen, man hört zu jeder Tageszeit Musik, jeder umarmt sich und die Menschen sind offen und weniger hektisch.
Die Kultur ist präsent, weil sich das Leben auf der Straße abspielt.
Mir liegt die Kultur quasi vor den Füßen, jeden Tag. Es ist schön einfach so Teil zu haben.
Ich laufe die Straße entlang und dann gehts nicht mehr weiter, weil da eine Präsentation einer Gruppe ist.
Frauen und Männer sind bemalt und als Krieger/Kriegerinnen, Papageien, “Buschmänner” und als Tiere verkleidet.
Sie tanzen und ich bekomme einen Eindruck, wie es wohl erst zur Karnevalszeit abgehen muss in den ganzen Orten Brasiliens.
Diese Momente kommen ganz überraschend, ich rechne ja nicht damit.
Dann stehe ich da und weiß gar nicht, was ich sagen soll und freue mich einfach und bin zugleich sehr beeindruckt von allem.
Das will ich auch können, ist oft ein Gedanke von mir. Ich möchte so viel lernen, weil es solche Sachen in Deutschland nicht gibt.
Ich fange an zu überlegen, was unsere Kultur ausmacht.
Ist es das Oktoberfest mit dem Bier, ist es unsere Pünktlichkeit, ist es unsere deutsche Genauigkeit oder das Leben im Haus?
Es ist schwer für mich genau zu sagen, was die Kultur in Deutschland ausmacht.
Ich frage mich, warum ?
Ich lebe schließlich schon seid fast 20 Jahren dort. Ich denke auch, dass es vielleicht daher kommt, dass die Dinge selbstverständlich für mich sind und mir hier erst die Unterschiede auffallen und ich das als brasilianische Kultur bezeichne, was anders ist, als in Deutschland.
Doch nun ist Erntezeit und Erntedank in Deutschland.
Das mit Früchten und Getreide geschmückt wird, das kennt man hier nicht.
Vielleicht ist das auch wieder unterschiedlich vom Stadt- zum Landleben, aber diese Zeit im Jahr ist anders. Da hab ich auch ein Stückchen deutsche Kultur kennengelernt.
Ich fragt euch bestimmt warum ich mir da so Gedanken drüber mache:
Medea, Julia und ich werden nämlich am 18.10.10 einen Nachmittag über Deutschland und Schweden machen in einem Projekt (Vila da Barca).
Wir wollen Fotos von unseren Familien, Freunden und Häusern zeigen und ganz besonders interessant für die Kinder und die Lehrer ist SCHNEE. Das haben sie uns schon gesagt. Und da wir im letzten Winter nicht gerade wenig hatten, habe ich sogar Fotos davon dabei.
Ja und dann werd ich auch über das Erntefest berichten und Fotos von Kürbissen und Erntekronen zeigen.

Umzug in meine Wohnung


Julia schließt auf; unsere Terasse
Nun bin ich in meiner ersten eigenen Wohnung.
Sie ist auf dem Gelände der Gemeinde und befindet sich unterm der Wohnung der Pastorin hinter einem kleinen grünen Gelände.
Um auf das Gelände der Gemeinde zu kommen benötigt man einen Schlüssel für die Pforte.
Reingelassen werden nur die Leute, die der Pförtner (verschiede Leute aus der Gemeinde wechseln sich ab) kennt.
Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, weil es, besonders nachts, gefährlich ist auf den Straßen Beléms.
Es ist auch ein Schutz für die Leute, die hier arbeiten und wohnen und gleichzeitig eine Möglichkeit für alle sich sicher zu fühlen. Außerdem lernt man so beim Pfortendienst viele Menschen kennen, die etwas mit der Gemeinde zu tun haben.

Zu der ersten eigenen Wohnung in Brasilien gehört nicht nur sein eigener Herr im Haus zu sein.
Nein Wäsche waschen mit der Hand ist angesagt.
Ohne Kochkenntnisse den Magen mit gesunden Speisen zu füllen und dabei alle neuen Früchte auszuprobieren.
Das Saubermachen darf auf keinen Fall zu kurz kommen, wenn man nicht mit ungebetenem Kleingetier sein Bett und Essen teilen will.
Ich bin nicht die Ordentlichkeit in Person, keinesfalls, aber besonders bei mir im Erdgeschoss versammeln sich schneller Ameisen und Kakerlaken als man gucken kann.

Neben den ganzen neuen Erfahrungen in den Projekten, der Sprache und dem Land kommt nun auch noch die, des Alleinewohnens hinzu.

Ich bin ganz und gar für mich selbst verantwortlich, darüber habe ich mir im Vorfeld eher wenige Gedanken zu gemacht, denn die meiste Angst hatte ich davor, oft alleine zu sein und überhaupt niemanden zu verstehen und dadurch überfordert zu sein.
Das ist aber überhaupt nicht so.

Im Moment wohnt noch eine zwanzigjährige Schwedin mit mir zusammen und wir verstehen uns gut.
Julia wohnt schon länger nicht mehr bei ihren Eltern, weil sie Soziologie und Ethnologie studiert.
Deswegen kann ich von ihr kochen lernen, vorallem kennt sie viele Tipps mit wenig Geld leckere Sachen zu zaubern.
Sie bleibt leider nur für einen Monat, dann geht sie in eine andere Gemeinde in den Süden von Brasilien. Sie ist hier um etwas über die verschiedenen Strukturen von Kirchen und Projekten zu lernen und wird dies dann in ihrem Studium in Schweden präsentieren.
Lustig ist, dass sie, genauso wie ich, zur Vorbereitung in Sao Leopoldo war für zwei Wochen.
Wir haben sogar auf dem gleichen Gelände gewohnt und hatten die selbe Portugiesischschule.
Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl.

Ich werde hier oft als erstes gefragt, wenn ich jemanden neu kennenlerne und sage, dass ich aus Deutschland komme: “Sag mal, wie ist es auf dem Oktoberfest?”
Und wenn ich dann sage, dass ich noch nie da war, können sie mir das fast nicht glauben, denn jeder Deutsche geht doch Ende September dorthin, um ganz viel Bier zu trinken.
Das ist scheinbar auch ein Teil der deutschen Kultur.
Wo wir beim Thema wären, was mich momentan am meisten beschäftigt: