Dienstag, 21. September 2010

Dia da Independência

Dia da Independência
Braslien ist seid 188 Jahren unabhängig.
Landesweiter “Aufschrei der Ausgeschlossenen” am Unabhängigkeitstag Brasiliens.
So habe ich am 7. September an einem Marsch von der Basilica Nazaré (eine katholische Kirche) bis zum Praca da Republica teilgenommen. Das wurde von einer Vereinigung zum Gedenken Dorothys organisiert.
Wir sind auf die Straße gegangen um auf die Ermordung von Dorothy aufmerksam zu machen.
Es kam zwar zum Prozess, aber nun sind schon viele Schuldige wieder auf freiem Fuß.
Sie hat sich für den Schutz des Regenwaldes eingesetzt und sich stark gegen eine Abholzung positioniert. Sie wollte eine gerechtere Verteilung des Bodes. Denn sehr viel Land gehört in Amazonien sehr wenig Leuten. Diese exportieren dann oftmals den größten Teil der Ernteerträge ins Ausland, sodass die Lebensgrundlage, selbst etwas für das alltägliche Leben anzubauen, unmöglich wird und viele Menschen in Armut und Hunger leben.

Der Moderator hat immer wieder gesagt:
,,Es wurden Straßen gebaut, das ist ein Fortschritt.
Aber wir nutzen diesen Fortschritt um einen Weg zu einer gerechteren Welt zu schaffen.
Wir zeigen auf der Straße, wo Ungerechtigkeit herrscht, wir wollen alle darauf aufmerksam machen!"
Es war alles sehr emotional und euphorisch, weil quasi der gesamt Verkehr zum Stocken kam, wo wir gelaufen sind. Es kamen immer mehr Menschen spontan hinzu.
Es ist wichtig präsent zu sein, denn in Brasilien wird immernoch viel Ungerechtigkeit überstehen oder einfach nur darüber geschwiegen.
Abends kam auch eine Reportage darüber im Fernsehen von Belém, unsere Pastorin und alle Menschen waren zu sehen, sogar ich war somit schon im brasilianischen Fernsehen.

Grupo de Mulheres

Grupo de Mulheres
Die Frauengruppe der Gemeinde trifft sich jeden Samstag um 18 Uhr. Ich habe auch schon teilgenommen.
Es wurden zwei Filme geschaut zu den Themen:
,,Quando comenca e quand termina a vida?" (Wann fängt das Leben an und wann hört es auf?)
,,A familia brasileira" ( die brasilianische Familie)
Wir haben darüber diskutiert, ob der Mensch über Tot und Leben entscheiden darf und ob es eine vorbestimme Zeit für jedes einzelne Leben gibt.
Cibele, die Pastorin hat auch über einen Fall berichtet, wo der Vater sein eigenes 12 jähriges Kind jahrelang vergewaltigt hat. Irgendwann ist sie dann schwanger geworden und wollte abtreiben.
Da hat die katholische Kirche in Brasilien gesagt, das die Tötung eines Lebens noch schlimmer ist.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie es im Kopf des Mädchens sein muss. Schrecklich, aber die Realität in vielen Häusern hier, auch in meinen Nachbarhäusern, ganz bestimmt.

So muss ich auch an zwei Mädchen aus Icui denken. Ich schätze sie auf 13-14 Jahr und beide haben einen kugelrunden Bauch und nehmen an unserem Projekt teil.
Ich kenne ihre Familien nicht, aber das die Situation nicht die beste ist,  weiß ich. Und ich frage mich:
Haben diese Mädchen (noch) eine Chance auf Bildung ?
Haben sie jemanden, der mit ihnen ihre Sorgen teilt und den Weg geht?
Wie werden sie es schaffen ?
In Brasilien gibt es die ANTIBABAPILLE GRATIS in den öffentlichen Gesundheitsstationen.
Doch man muss wissen, dass der ,,Machismo" in Brasilien ausgebreitet ist.
Eine Frau darf oftmals nicht darüber bestimmen, wann sie ein Kind bekommen möchte, dieses Recht
wird dem Mann zugeschrieben. Oftmals ist aber auch die mangelnde Bildung zum Thema Verhütung und Sexualität das Problem.

Projekt und ich

                                       ...Projekt und ich
Mir hilft für die Vorbereitung eine brasilianische CD und ein Liederbuch sehr, das ich auf dem Vorbereitungsseminar in Sao Leopoldo bekommen habe.
Ich übe ständig: beim Wäsche waschen (mit der Hand), beim Busfahren und auf dem Weg zu Fuß zur Arbeit.
,,Olha Tia!" heißt es ganz oft. Denn alle Kinder nennen die Freiwilligen ,,Tante".
Ich hab schon versucht zu erklären, dass sie mich auch einfach Ellen nennen können, aber irgendwie bleibt es bei Tia. Das ist auch ein Zeichen von Respekt.
Allgemein falle ich hier natürlich sehr auf, weil ich ,,Grinca" (weiße) bin und sehr blonde Haare habe. ,,Sind die echt?" wurde ich schon oft gefragt.
Sie fassen meine Haare gerne an und umarmen mich oft. Ich finde das überhaupt nicht schlimm, dann kuschel ich 5 Minuten mit ihnen. Ich freue mich, wenn ich ihnen so die Aufmerksamkeit geben kann, die ihnen zuhause vielleicht fehlt.
Sogar wenn ich auf der Straße von der Gemeinde zu meiner Gastfamilie nach der Arbeit nach Hause gegangen bin, laufen mir einige Kinder von den Projekten in die Arme. Ich wünsche ihnen und ihren Familien einen schönen Abend.
So kann sogar ich dafür sorgen, dass sie wieder zu den Projekten kommen, obwohl ich noch nicht viel portugiesisch spreche. Das ist ein schönes Gefühl.
Ich merke hier auch, dass die Kinder viel mehr Aufmerksamkeit brauchen. Es fällt ihnen manchmal schwer sich auf etwas zu konzentrieren, was sie noch nicht kennen.
Ingesamt fühle ich mich in meiner 30 Stunden Woche in meiner Gemeinde sehr wohl und kann die Arbeit nicht als Arbeit bezeichnen. Für mich ist es eher wie ein Geschenk, weil die Menschen mich sehr nett aufnehmen und ich eine sehr gut Eingewöhnungsphase hatte, was ich auch meinen Vorgängern und der Austauschgruppe der Gemeinde zu verdanken habe. Muito Obrigada!
Außerdem funktioniert das mit dem durchaus gewöhnungsbedürftigen Bussystem hier in Belém immer besser. Die Schwierigkeit besteht nämlich darin den richtigen Bus auch ohne Fahrplan zu nehmen und vorher zu wissen wohin  er fährt.
Es ist ein bisschen wie Vokabeln lernen, weil nur die wichtigsten Haltestellen vorne am Bus dranstehen. Und da die Busse hier sehr schnell fahren, hat man dann oftmals nicht die Chance in noch anzuhalten. Aber auch da bin ich optimistisch, es klappt immer besser. Und zu Not kann man immer erstmal einsteigen und dann den Busfahrer oder den Ticketverkäufer fragen, den es gibt zwei, einer fährt, der andere kassiert. Klar ,denn die Nerven des Busfahrers werden schon bei dem abenteuerlichen Straßenverkehr ausgereizt.
Ach und als ich mich mal verfahren habe, da hatte ich zumindest die Möglichkeit einen anderen Teil von Belém kennenzulernen.

ICUI


ICUI



,,Deus te ama e eu te amo,
assim queremos viver,
deus te ama e eu te amo,
 vimamos sempre assim."

Das ist das erste Lied, was ich "meinen" Kindern im Projekt Icui beigebracht habe.
Icui, was ist das eigentlich genau?

Icui ist ein kleiner Stadtteil von Ananindeua, eine Stadt die zum Großraum Belém gezählt wird.
Icui steht quasi für die Verstädterung (Urbanisation).
Weil viele Menschen, die heute in Icui leben, aus dem Inland Amazoniens kommen und sie sind in den Großraum Belém gezogen, weil sie sich ein besseres Leben erhofft haben.
(wir basteln einen Rettungsring für die Umwelt)
Oftmals ist die Qualität des Bodens oder einfach die Fläche an Land für eine Familie nicht genug gewesen, um überleben zu können.
So bestand die Hoffnung auf Arbeit in der Stadt, doch es ist nicht genug für alle vorhanden, sodass sich Randgebiete außerhalb gebildet haben, zum Beispiel Icui.
In Icui mangelt es an vielen Dingen der Infrastruktur: gute Schulen, fließend Wasser, gesundheitliche Versorgung und Sicherheit.
Die Häuser der Menschen  bestehen aus Brettern und die Wege sind aus Sand und sehr holprig. Alles sieht ein bisschen provisorisch aus, aber so ist der Alltag dort.









(Gestalten von Hausnummern)
Ich muss auch sagen, dass Icui momentan etwas gefährlicher ist als sonst.
Eine Bande hat ihr Unwesen getrieben und Überfälle gemacht.
Daraufhin gab es eine Schießerei mit der Polizei. Und es gab Tote.
Das passiert leider öfter und das Schlimme ist, dass solche Sachen schnell wieder vergessen werden von den Bewohnern, das ist ein Verdrängungsprozess sagen die Mitarbeiter.
Es kommt schneller zum Schuss als in Deutschland, weil die Polizeikräfte schlechter ausgebildet sind und ein geringes Gehalt bekommen. Außerdem besitzen auch die Banden Waffen und Polizisten verkaufen illegal ihre Waffen.
Deswegen ist das Icui-Projekt eine Woche lang ausgefallen. Unsere Arbeit fing erst wieder an als sich die Situation beruhigt hatte, um kein Risiko einzugehen.
Trotzdem ist es gut dass die Paróquia (Gemeinde) ein Grundstück und ein Haus mit Rondell dort besitzt.
Gerade weil viele Menschen von den Banden eingeschüchtert sind, ist es wichtig zu zeigen, dass jemand zuguckt und sieht, was dort passiert.
An diesem Ort versuchen wir Aktivitäten für alle zu machen, damit sie in den Momenten die Angst und die alltägliche Gewalt vergessen können.
Die Gemeinde und die Mitarbeiter (Carlos und Eunice) kennen die Situation von Icui und die schwierigen Hintergründe vieler Familien, denn durch die Vormittagsaktivitäten am Mittwoch und am Freitag (ca. 2 Stunden) können die Kinder regelmäßig teilnehmen und man lernt die Menschen kennen.
Das Alter ist nicht bestimmt, jeder kann dabei sein und am Ende gibt es immer einen kleinen Lunch.
(Banane, Getränk und den Rettungsring zum Mitnehmen)
Er besteht meistens aus Saft und ein paar Keksen, aber wir wollen nun versuchen auch zum Thema Ernährung zu arbeiten und auch mal gesunde Sachen mitbringen.
Die Aktivitäten finden im offenen Rondell statt, weil es ganz einfach viel viel angenehmer ist sich draußen im Schatten und mit Wind aufzuhalten (kein Wunder bei 35 Grad).
Wir, das sind immer Medea und ich plus ein Mitarbeiter der Gemeinde, fahren mit dem VW-Bulli der Gemeinde ca. 45 Minuten dorthin.
Wir singen zum Anfang und dann gibt es eine Geschichte, es werden Fragen gestellt und dann malen die Kinder etwas dazu. Es gibt ein Gebet und Lunch. So der grobe Ablauf.
Nun ist auch Beate (67) angekommen, sie wird bis Oktober bleiben. Sie ist diejenige, die dieses Projekt ins Leben gerufen hat, als sie beim evangelischen Entwicklungsdienst gearbeitet hat und für sieben Jahre hier in Belém gelebt hat.
Beate verteilt Bilder von Icui an die Kinder
Ich bewundere ihre Arbeit. Und die Eltern sind dankbar dafür und die Kinder haben sie sehr ins Herz geschlossen. Das hat man gemerkt, als Beate das erste Mal wieder nach 3 Jahren ins Projekt kam.
40 Menschen waren da und Beate kannte sie fast alle.
,,Que bom encontrar vocês de novo!" ( Wie schön euch noch einmal zu sehen!)
Nun haben wir einen Plan gemacht, was wer wann machen wird im Icui bis Weihnachten.
Da kommt die deutsche Struktur zum Vorschein.
Aber das ist auch wichtig, denn umso interessanter die Aktivitäten sind, desto mehr lernen die Kinder, sie sind einfach aufmerksamer.
So werden wir Vormittage zu den Themen: von der Bohne bis zum Kaffee, Ernährung, brasilianische Feiertage, biblische Geschichten, Basteln, Umwelt, Tanz, Theater (...) gestalten.
Medea, meine Mitfreiwillige, die Religionspädagogik studiert und hier ihr Praxissemester macht, und ich, wir werden für die Spiele und die Lieder verantwortlich sein.
..Ja und das schon alles auf portugiesisch! :-)